Moosbierbaumer
Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
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PERSCHLINGSCHIFFER Nicht ganz ernst zu nehmende sensationelle Berichterstattung... Endlich ist es geschafft: Die Gemeinde Atzenbrugg kann sich ab sofort eines weiteren Titels bedienen. Neben den Bezeichnungen Schubertgemeinde, Weinbaugemeinde und Volkskulturgemeinde reiht sich nun auch die Schifffahrtsgemeinde an. Nach langwierigen Arbeiten am Perschlinggerinne konnten im Herbst des Vorjahres endlich die brutalen biokosmetischen Korrekturen abgeschlossen werden. Sie waren wirklich unbedingt notwendig, um die drohende Hochwassergefahr nach Unwettern zu mindern. Nun präsentiert sich die Perschling aber als relativ unschöner trostloser Kanal mit träge dahinfließendem Brackwasser. Die Gemeindevertretung wurde auf den Plan gerufen doch noch irgendetwas Positives aus der unschönen Sache zu machen. Nach nächtelangen Überlegungen und Diskussionen erinnerte man sich im Gemeindeparlament, daß es ja so etwas ähnliches wie Dorferneuerung gibt in unserem Land. Ein Sachverständiger attestierte dem Gerinne Schifffahrtseignung und der Bürgermeister war natürlich sofort Feuer und Flamme, denn endlich konnte er mit seinem Tullner Chef gleichziehen. Lange genug schon war ihm ja dessen Schiff an der Donau ein kleiner Dorn im Auge - denn, ein Bürgermeister ohne Schiff, dem fehlt doch einfach etwas - richtig: ein Schiff eben! So konnte der Bürgermeister das allerletzte Schiff aus den Restbeständen der ehemaligen DDSG um den symbolischen Preis von 2 Millionen Schillingen ergattern. Das Schifffahrtspatent war schnell geschafft und ab nun darf sich der Bürgermeister, nicht ganz ohne berechtigten Stolz, als Herr Kapitän ansprechen lassen. Er sieht ja wirklich gut aus in seiner Kapitänsuniform mit der schicken Mütze - bereits die zweite Uniform, die er in seinem Kleiderschrank hängen hat. Rasch wurde eine Hafenanlage aus dem Boden gestampft, denn das Schiff sollte ja nicht irgendwo lose dahindümpeln, sondern fest vertäut am eigenen Anlegeplatz mit Zusteigemöglichkeiten für zukünftig Schiffsreisende liegen. Gleich nach bekanntwerden dieser fremdenverkehrsfördernden Aktion wurden aus dem westlichen Gemeindegebiet Stimmen laut, die da an einen Anschluß an das neue Schifffahrtsgerinne appellierten - Trasdorf ohne Schifffahrtsmöglichkeit - undenkbar! Ja, was aber tun, um die kochende westliche Volksseele zu beruhigen? Die Infrastruktur Trasdorfs war ja all die Jahre zuvor aus dem Gemeindesäckel auf den letzten modernsten Stand gebracht worden - in der Hinsicht war nichts mehr zu verschönern. Also entschloß sich die Gemeindevertretung den Hüttelbach dahingehend zu revitalisieren, daß zumindest ein Mindestpegelstand für einen täglichen Waschtrogverkehr zur Perschling hin möglich werden kann. Die Zusteigemöglichkeit auf das Schiff ist dann zwar nicht in Atzenbrugg, aber Trasdorf bekommt einen eigenen Hafen an der Perschling im Mündungsgebiet des Hüttelbachs in der Nähe von Pischelsdorf - eine nette kommunale Geste! Nachdem also die Koalitionsgemeinde schifffahrtsmäßig beruhigt worden war stand der feierlichen Eröffnung mit einer Jungfernfahrt nichts mehr im Wege. Große Plakate luden die Bevölkerung dazu ein nur die Reaktionen darauf waren annähernd Null - das Wort Jungfernfahrt wurde im wahrsten Sinne des Wortes allzu wörtlich genommen und wegen einiger kleiner Schulmädchen, wollte man nicht eigens ein großes Fest veranstalten. Ein weiteres Plakat brachte nun dahingehend Aufklärung, daß auch männliche Reisende und nicht mehr so junge Frauen mitfahren dürften. Auch die Schubertianer durften nicht fehlen und so erschienen sie dann auch in großer Zahl beim Landungssteg, um die denkwürdige Jungfernfahrt der Schubertanic miterleben zu dürfen. Ganz begeistert waren sie vom Namen des Schiffes, zeugte er doch von Größe und ewigem Erinnerungswert in Assoziation mit dem ruhmvollen Namen des genius loci Atzenbruggs. Bevor die Schubertianer den Binnenkreuzer bestiegen hatten sie sich noch etwas im Umfeld des Schlosses bewegt und waren begeistert von den vielen neuen Straßennamen, die die gesamte Ortsgemeinde jetzt verzierten. Als Ortsunkundige rückten sie eng zusammen und gingen in geschlossener Formation auf Erkundungsgang, denn schließlich wollte man sich nicht im Labyrinth der neuen Straßennamen vielleicht gar verirren und die Abfahrt des Schiffes verpassen. Entzückt wurden sie der vielen Namen schubertlicher Freunde auf Straßennamenstafeln rund ums Schloß gewahr, wenngleich, ja, wenngleich man dort doch einiges mehr hätte tun können, denn schließlich hatte Schubert noch viel mehr Freunde und aus der Bachdammgasse hätte man schon mehr machen können! Und das Himmelreich in Tautendorf erfreute die feinsinnigen Leute ebenso wie man sich in Heiligeneich der Ahorn-, Birken-, Akazien,- Kiefernbäume und Fasane besonnen hatte, aber, mußte es ausgerechnet ein Kummerweg werden? Auch in Trasdorf wurden die Schubertianer Zeugen dafür, daß man sich auch dort Gedanken über biologische Lebensformen gemacht hatte - Nussgasse, Rosenfeldgasse und Thujenweg bezeugen die dortige Liebe zur Natur, aber warum nur gerade Hausnummern in der Rechten Bahnzeile und ungerade Nummern in der Linken Bahnzeile - man wird doch nicht etwa dort auf den Geleisen bauen wollen? Ganz toll fanden sie abschließend noch die Straßennamenvielfalt in Moosbierbaum. Auf die Frage an einen Einheimischen, wie man von der Apotheke in Heiligeneich in die Moosbierbaumer Goaßzeile kommen könnte, bekamen sie für die 500 Meter kurze Straße eine ganz einfache Antwort: vom Raiffeisenplatz zur Moosbierbaumer Straße, weiter die Heiligeneicher Straße, anschließend die Zwentendorfer Straße und über die Geleise dann rechts in die Ruster Straße, weil Goaßzeile gibt es nicht mehr! Die Zeit war vorangeschritten und schnell wollten die Schubertianer wieder nach Atzenbrugg zur Jungfernfahrt: Ein Einheimischer riet ihnen, einen Abschneider durch die Sackgasse zu nehmen, aber die gewieften Großstädter glaubten eine arglistige Finte zu erkennen- in einer Sackgasse gibt es bekanntlich kein Weiterkommen, aber da der Einheimische radebrechend im BiedermeierDeutsch nicht davon abließ, sie von einer Zeitersparnis bei einem Gang durch die Sackgasse zu überzeugen und sie schlußendlich selbst erkannten, daß es am Ende der Gasse ein gut ausgebautes Weiterkommen gab, mußte sich das gassenbezeichnende Substantivum auf eine spezifische Eigenart der Bewohner dieser Gasse beziehen. Alle waren sie baff erstaunt über die Unmenge von Straßennamen in der ländlichen Idylle - nicht einmal in Wien gab es durchschnittlich so viele Straßennamen pro Kilometer wie hier. Das Schiffshorn tutete bereits zur letzten Aufforderung, an Bord zu kommen, als die Schubertianer die Anlegestelle erreichten. Das Schiff stand bereits mächtig unter Dampf und die Rauchentwicklung war eine gewaltige. Eine kleine Menge Umweltaktivisten war mit einem Postbus angereist und sie bekundeten lautstark ihren Mißmut über die, wie sie es nannten, Dreckschleuder, die das schöne Perschlingtal bedrohen würde. Der Bürgermeister ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wer hier etwas zu sagen hatte, und mahnte die Gruppe mit erhobenem Zeigefinger und lautstarken Worten ab - er hatte zum Unterschied der Umweltaktivisten nämlich eine mobile Verstärkeranlage mit aufs Schiff gebracht und die gab seinen Worten natürlich die entsprechende Aussagekraft. Der Wetterbericht versprach keine Starkwinde und alsbald legte die Schubertanic zu ihrer Jungfernfahrt ab - am Steuerrad der Bürgermeister, der Vizebürgermeister als erster Offizier und die drei Fraktionsführer als Heizer im Heizraum in schweißtriefender Schaufelarbeit - ein Kapitän steht schließlich über allen Dingen. Unter der jubelnden und fähnchenschwingenden Bevölkerung kamen jedoch alsbald erste Bedenken auf, als das Schiff ihren Blicken entschwunden war, und wirklich, oje, die Organisatoren der Jungfernfahrt hatten doch glatt die Hürde der Schleuse vergessen und so plumpste die Schubertanic laut krachend bugüber ins anschließende Rinnsal und einige Trasdorfer, die ebenfalls bei der Jungfernfahrt dabei sein wollten, warteten eben vergeblich in ihren Waschtrögen im Hafen Pischelsdorf auf eine Zusteigemöglichkeit - es wird wohl nichts werden mit den kühnen Zukunftsplänen einer mondänen Schifffahrt von Atzenbrugg durch den RheinMain-Donaukanal in die Karibik, nicht einmal zur Faschingszeit... |
• Brauchtum in der Faschingzeit • Eine kurze Geschichte der Zeit
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